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»Mir macht es Spaß, Verknüpfungen von unterschiedlichen Systemen zu erschaffen, es ist meine fröhliche Wissenschaft.«

Interview mit dem Künstler Niko Abramidis &NE

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Niko Abramidis &NE, Master and Scale / part 001 scriptorium, 2015 - Courtesy the artist, Foto: Jakob Wiessner

Die Verbindung zwischen der Sammlung Stadler und dem Künstler Niko Abramidis &NE nahm bei der Diplomausstellung der Akademie der Bildenden Künste München 2015 ihren Anfang. Darin sah Leo Stadler, der Sohn von Annette und Rainer, die Diplomarbeit Master and Scale / part 001 scriptorium, 2015 von Niko Abramidis &NE und wünschte sie sich anschließend von seinen Eltern zum Abitur. Seither begleiten sowohl Leo, als auch das Ehepaar Stadler, die Arbeit von Niko Abramidis &NE und sein Werk ist fester Bestandteil der Sammlung Stadler geworden. Das folgende Interview führte Sophie Azzilonna im Mai 2023 mit dem Künstler.

Ich würde gerne ganz allgemein beginnen: Welche Themen inspirieren und beeinflussen dich in deinen Zeichnungen, Malereien, Skulpturen und Rauminstallationen?

 

Das Interessante an der Kunst ist ja, dass man Beziehungen aufbauen kann, die es sonst nicht gibt. Die Themen die mich interessieren, wie zum Beispiel Science Fiction, ökonomische Strukturen und Fabelwesen, verarbeite ich in einer Art individuellen Mythologie. Bestimmte Symbole, Zeichen, Charaktere und Figuren tauchen immer wieder auf. Ich versuche dabei nicht die Realität abzubilden. Es handelt sich eher um ein Paralleluniversum, in dem Fiktion und Versatzstücke aus der realen Welt aufeinandertreffen.

 

Diese Zeichen, Symbole und Figuren in deinen Arbeiten sind oft ein Zusammenspiel von futuristischer und archaischer Ästhetik. Was hat es damit auf sich?

 

Ein Kunstwerk bewegt sich immer durch die Zeit. Mich interessiert nicht nur ein Detail aus dem Jetzt, beispielsweise die Ästhetik einer bestimmten Technologie, sondern mich interessiert auch, wie bewegt sich das in der Zeit. Wenn man 3000 Jahre alte Kunstwerke oder antike Philosophie und Ereignisse aus dem hier und jetzt und Dinge, die in der Zukunft passieren, nebeneinanderstellt, bekommt man einen größeren Zeithorizont. Ich stelle mir gerne vor, dass es Orte gibt, an denen Leute sitzen, die Forschung über diesen großen Zeithorizont betreiben und deswegen sehen manche Ausstellungen von mir aus wie Headquarter oder Offices von solchen Instituten. Und typischerweise versuchen Firmen in der Finanzwelt sich einzuordnen in etwas Größeres – bedienen sich beispielsweise antiker Namen, wie Triton oder Pegasus und auch ihre Logos haben oft Bezüge zum alten Griechenland oder Ägypten. Sie möchten damit das Gefühl vermitteln, dass das, was sie machen, in einem größeren Kontext steht. Es ist, glaube ich, ein natürliches Bedürfnis der Menschen, dass man eine Überzeitlichkeit in seinem eigenen kurzen Leben schaffen möchte. Und gerade die Dinge, die eigentlich am immateriellsten und kurzlebigsten sind, wie Finanzmärkte, haben oft die Bestrebung, sich einzuordnen in eine höhere Sphäre.

 

Woher kommt dein Interesse an Finanz- und Wirtschaftsthemen?

 

Ich habe ein Jahr Architektur studiert und bin viel gereist. Dabei haben mich immer besonders die Central Business Districts fasziniert, die es überall auf der Welt gibt. Diese in der Realität manifestierten Strukturen, hinter denen aber natürlich ein Finanzsystem steckt. Früher wurden Kathedralen über 300 Jahre gebaut, heute sind die Tempel unserer Zeit die Central Business Districts. Dass es überhaupt möglich ist, solche Hochhäuser zu bauen, hat ja auch wieder seine Ursache im globalen Finanzsystem. Das hat mich dazu gebracht, mich mit Finanzmärkten und dem, was dahinter steht, zu beschäftigen. Erst hat es mich eher von außen interessiert, dann wurde ich neugierig und wollte mehr wissen: Wer arbeitet da genau, was machen diese Firmen eigentlich, wie heißen sie, was haben sie für Logos, wie sieht die Website aus, kann man da vielleicht mal das Büro angucken. Alles was mit Finanzen zusammenhängt umwabert oft so ein Geheimnis, wie in Grabkammern oder Tempeln. Gerade in der Kunst ist es eher ein Tabu, sich damit zu beschäftigen, weil die Kunst selbst natürlich auch Teil von diesem Finanzsystem ist, das will man aber lieber nicht so richtig thematisieren. Mir macht es aber Spaß, Verknüpfungen von unterschiedlichen Systemen zu erschaffen, es ist meine fröhliche Wissenschaft.

 

Und was bedeutet das &NE in deinem Künstlernamen?

 

Das ist wieder der gleiche Ausgangspunkt. Mich interessiert es nicht, als Privatperson Kunst zu machen. Ich sehe mich in einem größeren Kontext, wie eine unternehmerische Entität. So wie es in einem Unternehmen verschiedene Rollen gibt, so habe ich auch als Künstler verschiedene Rollen, die ich wahrnehme. Das NE steht für New Entity, am Anfang stand es für New Europe, es ist aber globaler geworden. Es ist eine unternehmerische Struktur, in der ich mich selbst beschäftige. Darin bin ich manchmal derjenige, der strategische Entscheidungen trifft, manchmal bin ich derjenige, der einen Plan ausführt, manchmal muss ich vielleicht Research und Development betreiben.

 

Du nutzt in deinen Arbeiten gerne neueste Technologien, z.B. Künstliche Intelligenz. Welche Möglichkeiten ergeben sich daraus für dich?

 

Ich finde Technologie einfach spannend. Es ist ja nichts neues, es gab schon vor langer Zeit Technologien, die ganzen Ländern oder Entitäten geholfen haben, schneller und effizienter zu sein. Ob das in der Kolonialisierung oder später im Aufbau von einem globalen Kommunikationssystem war. In unserer heutigen globalisierten Welt passiert so viel gleichzeitig, dass es ohne Technologie gar nicht mehr möglich wäre, sich darin zurechtzufinden. Auch die Kunst war immer schon technologieaffin. Ich interessiere mich insbesondere für Technologien, die produktiv sind, und probiere aus, welche für mich wirklich interessant sind und welche nicht.

Jetzt ist ein besonderer Moment, weil ganz viele Open Source Technologien entstehen. Gerade was KI betrifft ist es eine große Revolution, dass Copyrights außer Kraft gesetzt werden. Das stellt ganz viel in Frage. Ich denke, dass es in Zukunft nicht mehr so sein wird, dass man nur noch eine Spitzentechnologie aus dem Silicon Valley benutzt, sondern dass es dezentraler wird. Diese Entwicklungen finde ich total spannend.

 

Inwieweit werden bildgebende KIs deiner Meinung nach die Kunstwelt verändern; welche Entwicklungen könnten das Aufkommen von KI motivieren?

 

Das Interessanteste daran ist eigentlich, dass ich einen Werkzeugkasten habe, der sich wahnsinnig schnell entwickelt. Ich kann ganz viele Bilder generieren, ganz viele Texte herstellen, viel mehr als ich brauche, und alles ist urheberfrei. Ich kann als Künstler alles verwenden. Bisher hatte man bei digitaler Technologie immer das Problem, dass jede Google Suche im Grunde Private Ownership war und die Bilder und Texte, die ich finde, darf ich nicht verwenden. Man muss als Künstler ständig Angst davor haben, dass man irgendwas stiehlt und verklagt wird. Das ganze Internet ist ein Dschungel aus Copyrights geworden, in dem man als Künstler immer nur Nachteile hat. Denn man trägt selbst dazu bei, aber man spielt keine Rolle gegenüber den großen Silicon Valley Unternehmen, die alles besitzen. Diese Gleichgewichte verschieben sich aber jetzt.

 

Denkst du, dass die heutige Zeit rückblickend einen Umbruch in der Kunstproduktion erkennen lassen wird?

 

Das Wichtigste wird sein, wie die Menschheit es schafft, mit dem Klimawandel umzugehen, das wird nennenswert beeinflussen, wie unser Zeitalter in Zukunft gesehen wird. Dass ein Finanzsystem dazu geführt hat, dass der Planet immer unbewohnbarer gemacht wurde. Um, auf historische Sicht, sehr kurzfristige Gewinne zu realisieren. Welche Kunst da entstanden ist, wird kaum mehr relevant sein, wenn man dafür mit großem Artensterben, neuen Kriegen usw. konfrontiert ist. Oder in 1000 Jahren vielleicht wieder als Artefakt.

Um nochmal zurück zum Anfang zu kommen, das ist auch ein Punkt, warum ich mich für Finanzsysteme interessiere, weil es natürlich Dreh- und Angelpunkte unserer Welt sind. Alles muss global gesehen werden, man kann nichts mehr machen, was nur lokal begrenzt ist. Das trifft auf mich als Künstler genauso zu.

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